Wie aus "Porsche" der erste Flyball-Corgi in Deutschland wurdeEines Tages erzählte mir mein Bruder, es gäbe bei uns in Lenting jetzt einen neuen Hundeverein: "Die machen da so was Komisches mit Fly oder so." Das machte mich neugierig. Die werden doch da nicht etwa Flyball machen? dachte ich bei mir, denn von dieser Sportart hatte ich bis dahin nur einmal etwas im Rassebuch unseres alten Border Collies gelesen.Ich blieb nicht untätig, googelte ein bisschen und fand heraus, dass es seit kurzem die Lentiger Jura Flizzer gab, die tatsächlich ein Flyball Team gegründet hatten. Der Name der Trainerin kam mir sehr bekannt vor und ich schrieb ihr eine Mail, ob ich mit meinem knapp einjährigen Cardigan Corgi mal beim Training zuschauen dürfe. ![]() So kam es, dass wir eine Woche später zum ersten Mal den Hundeplatz Am Bergfürst betraten. Die Trainerin Steffi kannte ich tatsächlich aus der Hundeschule, die ich mit unserem Dobermann einige Jahre zuvor besucht hatte. Steffi hatte den neuen Verein gegründet und schon erste Erfolge mit dem jungen Flyball Team erzielt. Sie waren bereits in ihrer ersten Saison Europameister geworden! Das Team bestand zu dieser Zeit vor allem aus Langbeinern wie Border Collies und Australian Shepherds und sie waren schon länger auf der Suche nach einem "Hürdendrücker". So nennt man einen Hund, der eine niedrige Schulterhöhe hat und somit die Hürdenhöhe für das ganze Team während eines Laufs bestimmt. Denn alle Hunde müssen nur so hoch springen, wie der niedrigste Hund, der mitläuft. Porsche war mit seinen 32cm Schulterhöhe der perfekte Kandidat, aber zuerst galt es ihn auf seine Flyball Tauglichkeit zu testen. Wir schauten erst einmal zu wie die anderen Hunde trainierten. Mit unglaublicher Geschwindigkeit raste der Border Collie Sam "Vollgas" von seiner Halterin Jutta losgelassen über die vier Hürden, wendete auf der Box, schnappte sich den Tennisball und kehrte zu seiner Besitzerin zurück. Porsche und mir blieb quasi der Mund offen stehen. Es war beeindruckend! Dann durfte Porsche die Bekanntschaft mit der sogenannten "Dummybox" machen, die zum Erlernen der Technik genutzt wird. Er stellte sich richtig gut an und schien schnell zu verstehen, um was es ging. Beim Lauf über die Hürden auf 20 cm zeigte er, was in einem Cardigan stecken kann! Flink wie ein Wiesel rannte und sprang er, so dass Steffi völlig verdutzt meinte: "Ich dachte der sei schwerfälliger! Aber der ist ja total flink!" Schwerfällig, haha! dachte ich. Porsche ist für einen Cardigan recht sportlich und langbeinig, wiegt knappe 16 kg und ist sehr wendig und bewegungsfreudig. An diesem Tag begann seine Karriere als Teammitglied der Lentinger Jura Flizzer. Wir trainierten von da an einmal wöchentlich. Zuerst musste ich herausfinden, in welche Richtung Porsche sich umdreht, wenn er einen Ball holt und zurückkommt. Das war schnell ermittelt, Porsche ist ein "Linksdreher". Er dreht sich immer nach links um, wenn er zurückkommt. Das ist wichtig, damit das "Boxenluder" weiss, auf welcher Seite sie während des Laufs den Ball für Porsche in die Box positionieren muss. Damit hatten wir den Grundstock für den nächsten Schritt gelegt. Einen Stock in den Rasen stecken und Porsche mit dem Kommando "Herum" aus ca. 5 m Entfernung zu dem Stock schicken und in einer engen Linkskurve um den Stock und zu mir zurück laufen lassen. Sobald das klappte, wurde hinter dem Stock die Dummybox platziert. So lernte Porsche innerhalb weniger Trainingseinheiten, wie man auf der Box richtig wendet und dabei den Ball greift und zurück bringt. ![]() Bereits im selben Jahr, nach nur wenigen Monaten Training, durfte Porsche sein erstes Trainingsturnier bei uns zu Hause laufen. Da unser Verein jedes Jahr das Finale des Bayerncup im Flyball ausrichtet, war das die ideale Möglichkeit ihn auf bekanntem Terrain das erste Turnier laufen zu lassen. Da Porsche gerade etwas über ein Jahr alt war, war er nach den damaligen Regeln auch schon zum Turnier zugelassen und durfte ein paar erste Läufe mitmachen. Er zeigte damals bereits, wofür wir ihn jetzt im Team so schätzen: Dass er sich nicht ablenken lässt und souverän seinen Job macht, egal ob um ihn herum dutzende Hunde bellen und Hundehalter schreien wie die Irren, Porsche macht sein Ding. Nach diesem ersten gelungenen Turnier, wurde Porsche ein festes Mitglied im Hundekader und wir fuhren von da an während der Flyball Saison mit zu diversen Turnieren quer durch Bayern und Deutschland. Wir starteten auch bei der deutschen Meisterschaft schon zweimal und Porsche wurde bei den anderen Teams bekannt als "Der Corgi", denn innerhalb Deutschlands ist er der einzige gemeldete Corgi, der sozusagen professionell Flyball betreibt und Turniere läuft. Ob es in Europa noch andere Corgis gibt, die Flyball betreiben? ![]() Er läuft den Parcours seit Anbeginn immer in der selben Zeit von ca. 5,6 Sekunden, was für einen Kurzbeiner eine sehr respektable Zeit ist, aber natürlich nicht an die Borders heran reichen kann, die zum Teil nur 3 Sekunden brauchen. Porsches Stärke ist eine andere, nämlich seine Souveränität und Wesensstärke. Nach einem aufregenden Tag auf dem Turnierplatz, wo dutzende fremde Hunde laufen und bellen und sich gegenseitig aufheizen, wird so mancher sensible Border Collie irgendwann nervös und beginnt Fehler zu machen oder läuft einfach gar nicht mehr, weil er "kopfdicht" ist. Porsche macht das gar nichts. Den Spitznamen "Schweizer Uhrwerk" hat er sich verdient, weil er immer, egal wie warm, wie laut, wie stressig und nervenzerreissend ein Turnier ist, seine Läufe fokussiert und fehlerfrei macht. Porsche lässt keine Hürden aus; Porsche lässt den Ball nie fallen; Porsche lässt sich nicht provozieren und geht andere Hunde nicht an; Porsche bleibt nicht stehen oder läuft in die falsche Richtung. Selbst wenn ein fremder Hund zu ihm in die Bahn läuft, lässt er sich nicht irritieren, holt seinen Ball, weicht dem verrückten anderen Hund aus, und kommt über alle vier Hürden zu mir zurück. Er ist nicht nur unser Hürdendrücker, sondern hat sich über die Jahre zu einem der sichersten Hunde entwickelt, die unser Team hat. So wird er oft für die entscheidenden Läufe geschont, weil wir im Eifer des Gefechtes immer auf seine Leistung zählen können. Ohne ihn hätten wir 2018 den Bayerischen Vizemeister Titel nicht erreicht. ![]() Wer sagt ein Corgi könne kein Flyball betreiben, weil die Sportart für seine Körperform nicht geeignet ist, der hat Porsche noch nicht live erlebt. Da Porsche eine hoch angesetzte Brust und recht gerade Front hat, womit er vom Rassestandard abweicht, kann er sehr gut springen und flink und ausdauernd laufen. Er liebt Bälle, was bei diesem Sport von Vorteil ist und er beherrscht die Technik des Wendens auf der schrägen Box perfekt, was wir fleissig trainieren; denn nur mit der richtigen Technik verletzt sich der Hund bei der hohen Geschwindigkeit, mit der er auf die Box trifft, nicht an den Gelenken und am Rücken. Unsere Hunde tragen alle von Anfang an bereits massangefertigte Klettbandagen an den Vorderläufen, um die Gelenke zu stützen und vor Verletzungen zu schützen, was bis heute nicht jedes Team in Bayern so macht. Solche Bandagen für die kurzen dicken Beine eines Corgis abzumessen, war eine Herausforderung. Porsche geht auch mehrmals im Jahr zur Sportphysiotherapeutin und wird beim Tierarzt durchgecheckt. Porsche hat viel Spass am Flyball und ich werde es ihm solange gönnen, wie er körperlich 100% fit dafür ist. Wenn das einmal nicht mehr der Fall sein sollte, gibt es in unserem Verein noch genug andere Sportarten, die er machen kann, damit er seinen Spass hat. Seine Freude am Flyball wird er sicher nie verlieren, aber irgendwann muss ich für ihn einen Schlussstrich ziehen, damit er sich nicht kaputt macht. Manche Vereine lassen sogar noch Hunde im Seniorenalter laufen, aber so etwas gibt es bei uns nicht. Er ist jetzt 5 Jahre alt und es wird sich nun von Jahr zu Jahr zeigen, wie fit er körperlich noch ist und wie lange er noch weiter machen kann; schließlich ist er kein Sportgerät, sondern mein flauschiger kleiner Kumpel, dessen Gesundheit immer vor geht! Beate Zeller 18.08.2019 |